Heute wollen wir von Prenzlau nach Uckermünde radeln. 70 Kilometer. Wir starten wieder mit Wind und einem Selfie vor der Jugenherberge Uckerwelle. Ich bin immer noch der Meinung, dass es sich hierbei um einen Radiosender handelt. Ganz nebenbei bemerkt, der Wind ist immer noch da. Kurz nach dem Dom entdecke ich ein Schild „Bioladen“. Natürlich husche ich kurz hinein und fülle die Zwergenwiese-Vorräte wieder auf. Wir starten. Hinaus aus der Stadt. Mit dabei, der Wind. Der nächste Ort ist Schönwerda. Schön wer da war…
Es geht raus aufs freie Feld. Der erste Anstieg für heute. Mit dabei, der Wind. Von links. Die erste Meter Kosten schon viel Kraft. Nach der Kurve, denke ich, wird alles besser, denn dann kommt der Wind von der anderen Seite. Jähe Enttäuschung nach der Kurve. Der Wind kommt von überall her. Ostwind, Gegenwind, Fahrtwind. Alles dabei, nur kein Rückenwind. Der Anstieg ist geschafft, und ich blicke auf die noch bevorstehende endlos lange Allee. Rechts wie links nur Getreidefelder. Am Horizont, Windräder. Ach, wie passend. Meine Haare wehen durch meinen Helm hindurch überall hin. Und dann, dann tritt er ein. Der Moment, an dem ich mich frage, warum ich 300 Kilometer auf einem Fahrrad durch die Prärie radle. Warum sitze ich gerade nicht im Büro und schaukle gemütlich dem Wochenende entgegen? Ich verfluche die Jugenherberge, weil es keine Haferflocken zum Frühstück gab. Damit hätte ich sicher mehr Power gehabt. Ich verfluche, jedes unnötige Kilo an mir, dass ich gerade durch den Wind schieben muss. Und warum habe ich kein Stirnband eingepackt? Stimmt, es waren fast 40 Grad als ich vergangenen Montag meine Taschen gepackt habe. Fehler im System, meiner Meinung nach. Mir schießen der-Sommer-ist-vorbei-Gedanken durch den Kopf. Am 10. Juli mit einem Fleece-Jäckchen und dem innigen Wunsch nach einem Stirnband auf dem Fahrrad sitzend, kann das schon mal passieren. Ich trete in die Pedale, schalte, fluche. Pedale, Gangschaltung. Immer wieder. Meter für Meter. Am Straßenrand werde ich auf ein Schild aufmerksam. „Radler Oase“. Tzzzz. Oase. Ja, wie in der Wüste. Hier in der Weizenfeld- und Windwüste. Nach lange, zähen und nicht zu vergessen, windigen 5 Kilometern erreichen wir Bandelow. Papa klappt das Radtouren Büchlein auf und liest vor, welches Highlight sich hier befindet. Ein Ortsteich mit einer Pappelalle. Bei mir entladen sich Adrenalinausbrüche. Was ein Highlight. Nicht. Meine Stimmung sinkt weiter. Wir radeln weiter. Mein Popo tut heute auch weh. Das bemerke ich, als ich nach etwas suche, über das ich kurz jammern könnte. Jammern hilft nicht. Ich weiß. Aber es wäre kurz mal notwendig. Ach ja, und dann immernoch dieser permanente Wind. WWW. Wind Wind Wind.
Um die Spannung vorweg zu nehmen, meine Laune hebt sich auch über den Tag hinweg nicht. Die Strecke bietet wenig Ansprechendes. Keine besonderen Örtchen oder schönen Ausblicke. Keine Anwohner, die man trifft. Wenig andere Radler. Trostlos, somehow. Der zumeist graue und windige Tag tut sein Übriges dazu. Irgendwo zwischen Pasewalk und diesem endlos langen Wald,entlang verschiedener Kasernen, ist es mir danach, mein Fahrrad mal kurz in das militärische Sperrgebiet zu pfeffern und einen Schrei in den Wald reinzulassen. Ich tue es nicht. Versuche klare Gedanken zu fassen. Mich abzulenken. Und die gegebenen Bedingungen anzunehmen. Warum fällt es mir ausgerechnet heute so schwer, etwas Positives zu sehen. Was ist heute anders? Habe ich die Optimismusbrille in der Jugendherberge vergessen? Schlussendlich, ich weiß es nicht. Auch als wir Uckermünde erreichen bin ich noch nicht dahinter gestiegen. Es ist einfach wie es ist. Es gibt Tage, Momene, Situationen, da ist es einfach weniger schön und windig und grau. Unbeständig. Und es fällt schwer, Positives zu sehen. Dass passiert sicher auch jedem noch so optimistischen Optimisten. Vielleicht ist es die Kunst dies anzunehmen und dennoch gegen den Wind zu fahren, die Windräder auch mit grauen Wolken zu fotografieren und sich im endlos langen Kasernenwald über ein kleines Reh zu freuen. Schließlich bleibt die Tatsache, dass wir ein schnuckeliges Quartier mit Aussicht auf das Stettiner Haff gefunden haben und morgen ein neuer Tag bevorsteht. Eine neue Route. Vielleicht treffen wir morgen wieder auf Menschen und finden nette kleine Orte für eine Rast. Und sicher, legt sich auch der Wind wieder. #Augenöffner