Letzte Etappe. Ein wenig schwermütig steige ich heute auf das Rad. Unser Start-Selfie ist schnell gemacht. Viel zu schnell. Und schon sitzen wir im Sattel. Bereit die letzten 70km dieser Reise anzutreten. Peenemünde ist das Ziel. Dort endet der Berlin-Usedom-Radweg. Im Anschluss werden wir mit der Bahn nach Bansin fahren. Mama urlaubt dort seit ein paar Tagen und wir werden zwei Tage dort mit ihr verbringen. Familienzusammenführung quasi. Aber das liegt für mich noch in weiter Ferne.
Heute genieße ich nochmal jeden Meter auf dem Rad. Die Felder, die Sonne, das in die Pedale treten, den Wald rund um den Wolgastsee. Hier gibt es auch wieder den ein oder anderen Anstieg. Und dann erreichen wir Ahlbeck. Das erste der vielen Seebäder entlang der Küste. Hier tobt das Leben. Menschen. Leute. Bevölkerung. Für mich, definitiv to much. Die Abgeschiedenheit und Menschenleere der letzten Tage hat mir ganz gut gefallen. Jetzt diesen Trubel zu erleben, nicht mein Wohlfühltempo fahren zu können und beengt auf der Strandpromenade zu radeln, stresst mich ungemein. Ein kurzer Boxenstopp am Strand für ein Selfie und eine Banane relaxen mich wieder. Wir radeln durch Wälder mit 16% Steigungen. Ein Steigungsschild habe ich auf der gesamten Route nicht wahrgenommen. Wir lassen die vollen Seebäder hinter uns und erreichen weniger befahrene Gefilde. Unsere Mittagsrast halten wir an einem entlegenen Strandabschnitt ab. Wir sind fast alleine hier. Picknickdecke, Schuhe aus und das erste Mal auf dieser Tour mit den Füßen in die bitterkalte Ostsee. Eines der vielen Highlights. Wir genießen den Strand, die Ruhe, das am Meersein. Es sind noch knapp 20 Kilometer bis ans Ziel. Wir schaffen das. Unermüdlich sind wir. Wir wollen dort ankommen. Am besten noch, bevor es regnet. Als wir unsere Räder wieder satteln, beginnt es zu regnen. Egal. Wir radeln weiter. Auch im Regen. Ohne Regenjacke. Zielhektik macht sich breit. Wir fahren schneller. Überholen alle Urlauber auf ihren Dreigang-Leihrädern. Das erste Peenemünde-Schild. 11 Kilometer. 11 Kilometer. Was ist das schon im Vergleich zu den bis hier her gefahrenen.
Wir starten in den Wald. Mal wieder mit einem heißen Reifen. Daran habe ich auf dieser Tour echt Gefallen gefunden. Und dann 6,5 Kilometer vor Schluss, wird der Regen stärker. Ich weigere mich nach wie vor gegen eine Regenjacke. Wir fahren raus aufs Feld. Keine anderen Menschen mehr. Jippiehhh. Nur noch wir beide. Papa und Anja. Ich hole nochmal alles raus. Bin der inoffizielle Pacemaker. Am letzten Hinweisschild bekommt Papa einen Krampf und ich ein Wehmutsgefühl. Wie oft in den letzen Tagen habe ich mich an diesem kleinen grünen Schildchen orientiert. Das kleine grüne Schild mit dem Brandenburger Tor, dem Radfahrer und der Möwe. Hach. Es wird mir tatsächlich fehlen. Papas Krampf hat sich wieder gelegt und wir fahren die letzten 2,5 Kilometer. Am Ortseingang Peenemünde überkommt mich das Zieleinlauf-Grinsen. Die Läufer, wissen was gemeint ist. Ich grinse. Wir fahren durch den Ort, direkt an das Uboot-Museum. Und dann sind wir da. Peenemünde. Am äußersten Fleck dieser Tour. Danach kommt nur noch Wasser. 330km. Geschafft. Glücklich. Am Ziel. Dazu noch gesund und mit heilen Rädern. Was kann es Schöneres geben? Vielleicht, dass er Regen aufgehört hat und wir unsere Ankunft trocken genießen können. Wir liegen uns in den Armen und hüpfen wild durch die Gegend.
Wir fühlen uns als Sieger. Machen Selfies. Rufen Mama an. Sind glücklich. Unser persönliches Gipfelkreuz im flachen Land. Das Gefühl, bei der Erreichung eines Ziels, ist eines der schönsten. Es macht glücklich. Und ich kann lange davon zehren, Kraft und Motivation schöpfen. Neuen Antrieb gewinnen und es immer wieder nachfühlen, wenn ich es möchte oder brauche. Papa ist auch glücklich. Wir sind zusammen hier angekommen. Er grinst. Und er ist wehmütig. Peenemünde zu erreichen, heißt auch, dass unser gemeinsamer R(o)adTrip hier zu Ende geht. #Augenöffner